Positionspapier der Bundesfachschaftenkonferenz der Wirtschaftswissenschaften
Bundesfachschaftenkonferenz der Wirtschaftswissenschaften www.bufak-wiwi.org
Novellierung des BAföG
Die BuFaK WiWi begrüßt die angestrebte Novelle des BAföG für das Wintersemester 22/23. Aus Sicht der BuFaK WiWi gehen die damit einhergehenden Anpassungen jedoch nicht weit genug. Damit das Studium für alle Studierenden finanzierbar ist und Chancengleichheit gewährleistet werden kann, sprechen wir uns für eine grundlegende und strukturelle Reform des BAföG aus.
Das langfristige Ziel der Ausbildungsförderung muss aus Sicht der BuFaK WiWi sein, alle Studierenden aus Haushalten mit weniger Einkommen als der Median der Haushalte zu fördern. Das Median Haushaltseinkommen lag im Jahr 2018 im Intervall zwischen 2600- 3600 € (5).
Grundsätzlich fordern wir die Struktur des BAföGs in Zukunft folgendermaßen zu gestalten:
1. Ein elternunabhängiger Sockelbeitrag , welcher für die mediane Dauer des jeweiligen Studiengangs gezahlt werden soll.
2. Ein bedarfsorientierter Voll-Zuschuss, welcher durch höhere Einkommensgrenzen, höhere Freibeträge auf Zuverdienste und Vermögen und die Exklusion von bestimmten Investmentklassen (z.B. Altersvorsorge) bei der Vermögensbewertung mehr Elternunabhängigkeit zulässt. Höhe des Zuschuss ist nach Höhe des Haushaltseinkommens gestaffelt.
3. Ein zinsfreies Darlehen mit dem das BAföG bis zum Höchstsatz aufgestockt werden kann, welches auch für nicht-zuschussberechtigte Studierende verfügbar ist.
Durch diese Maßnahmen wird das BAföG mehr Studierenden zugänglich, wird elternunabhängiger und kann bei Bedarf oder Wunsch aufgestockt werden. Im Folgenden werden unsere Forderung gesondert erläutert.
Höhe und Ausrichtung/Kopplung
Wir befürworten die geplante Erhöhung der Grundbedarfsförderung von 427€ auf 449€. Gleichzeitig möchten wir hervorheben, dass der Grundbedarf im Jahre 2019 von 419€ auf 427€ erhöht wurde (1) und die vorherige Anpassung zum WS 16/17 in Kraft getreten ist. Der Grundbedarf hat sich demnach vom WS16/17 zum WS22/23 um 30€ erhöht. Umgerechnet entspricht dies einem Anstieg der Förderung von 7% in 6 Jahren, bei einer durchschnittlichen jährlichen Inflation von 1,7% (2017-2021) (2). Folglich gleicht die Erhöhung des BAföG nicht die Inflation aus und Studierende haben somit nach der Erhöhung real weniger Förderung als 2016. Für das Jahr 2022 wird eine deutlich höhere Inflation als in den Jahren zuvor erwartet, die in dieser Berechnung noch nicht berücksichtigt sind.
Außerdem fordern wir die Höhe der Grundbedarfsförderung an die Höhe des ALG 2 Regelsatzes für Alleinstehende zu koppeln. Ende des Jahres 2022 wird der Grundbedarf an das Niveau vom Regelsatz von 449€ eines Alleinstehenden nach ALG 2 (3) angepasst. Die Regelsätze beim Arbeitslosengeld werden jährlich überprüft und angepasst, eine Anpassung der Grundbedarfsförderung beim BAföG erfolgte in der Vergangenheit jedoch nur alle vier Jahre. Eine Diskriminierung von Studierenden durch eine niedrigere Förderung aufgrund seltenerer Überprüfung und willkürlicher Erhöhung finden wir an dieser Stelle weder verständlich noch akzeptabel. Das Bundesverwaltungsgericht sieht diese Praxis als grundgesetzwidrig an (4). Wohnkosten Die Höhe der Wohnkostenpauschale ist bisher unabhängig vom Studienort. Mietpreise sind jedoch stark ortsabhängig und unterscheiden sich in den verschiedenen Städten. Studierende sollten ihren Studienort nicht aufgrund geringerer Mietpreise auswählen müssen, sondern Faktoren wie die Qualität von Studium und Lehre, angebotene Studiengänge oder soziale Faktoren (z.B. Nähe zum Heimatort) sollten als Entscheidungskriterium berücksichtigt werden dürfen. Wir fordern daher eine Staffelung der Wohnkostenpauschale an die jeweils regionalen Mietpreise, wie dies beispielsweise bei Sozialhilfen gängige Praxis ist.
Elternunabhängigkeit/Geschwisterunabhängigkeit
Wir sprechen uns für ein elternunabhängigeres BAföG durch eine deutliche Erhöhung der Freibeträge aus, sodass das BAföG einer deutlich höheren Anzahl von Studierenden zugänglich wird. Vollständige Elterunabhängigkeit ohne Bedarfsprüfung lehnen wir ab. Einerseits halten wir die Finanzierbarkeit solcher Maßnahmen für nicht realistisch. Andererseits stehen wir zum Grundsatz der Bedürftigkeitsprüfung von Sozialleistungen. Außerdem fordern wir eine grundsätzliche Geschwisterunabhängigkeit bei der Berechnung der Höhe der Förderung. Geschwister tragen einander gegenüber keine erzieherische oder juristische Verantwortung. Auch haben sie nie finanzielle Förderung vom Staat für das Vorhandensein von Geschwistern erhalten, anders als die Eltern. Es ist nicht verständlich, weshalb sie für die gegenseitige Ausbildung aufkommen oder deren Einkommen bei der Berechnung der Förderung eine Rolle spielen sollte.
Digitalisierung/Antragsprozess
Der Antragsprozess zum BAföG wurde in den letzten Jahren schrittweise verbessert und teilweise digitalisiert. Allerdings gibt es nach wie vor keinen vollständig digitalen Antragsprozess. Deshalb fordert die BuFaK WiWi die vollständige digitale Antragstellung und eine Überarbeitung der Antragsstellung zur einfacheren Handhabung für Studierende. Hierbei ist insbesondere das Schriftstückerfordernis abzuschaffen.
Freibeträge
Im Rahmen des BAföG wird von Studierenden gefordert ihr eigenes Vermögen über bestimmten definierten Grenzen aufzubrauchen, bevor staatliche Leistungen in Anspruch genommen werden können. Im Jahr 2021 konnten Studierende so ein Vermögen von 8200€ erhalten, während jeder weitere Euro Vermögen negativ auf den BAföG Höchstsatz angewendet wird. Vor dem Hintergrund, dass Studierende z.B. Fahrzeuge benötigen, um von ihrem Heimatort zur Arbeitsstelle bzw. zur Hochschule kommen und es durchaus sinnvoll ist, auch schon während des Studiums für das Alter vorzusorgen, sind diese Vermögensgrenzen zu gering. Daher fordert die BuFaK WiWi die Erhöhung der Vermögenswerte sowie die explizite Exklusion von z.B. privaten Rentenversicherungen oder anderen Vorsorgeprodukten.
Zusätzlich zu den Grenzen im eigenen Vermögen werden nur Studierende gefördert, deren Eltern nicht über ein Haushaltsnettoeinkommen von 2000€ netto verfügen (verheiratete Eltern) (1). Diese Grenze entspricht aus Sicht der BuFaK WiWi nicht der Realität der gesellschaftlichen Mitte, insbesondere vor dem Hintergrund, dass Familien mit mehreren Kindern auch mit höherem Haushaltseinkommen nicht mehr finanziellen Spielraum haben. Daher fordert die BuFaK WiWi die Erhöhung der Freibeträge auf das Median Haushaltseinkommen.
Förderhöchstdauer
Die Regelstudienzeit entspricht meistens nicht der Realität. So sind in den meisten Fällen eine Anzahl von 6 oder 7 Semestern vorgegeben. Die mediane Studiendauer ist oft deutlich höher, sodass Studierende unter Druck zu einem Abschluss ihres Studiums kommen müssen, da sonst eine finanzielle Belastung droht. Deshalb fordert die BuFaK WiWi die Kopplung der Förderdauer des BAföG an die mediane Studiendauer des Studiengangs an der jeweiligen Hochschule.
Leistungsnachweis abschaffen
Die BuFaK WiWi fordert die Abschaffung des Leistungsnachweises nach dem 4. Semester und begrüßen somit die Positionierung des Deutschen Studentenwerks zu dieser Thematik. Die Verpflichtung zum Nachweis der erbrachten Leistungen kommt aus Zeiten vor der Einführung der akademischen Titel Bachelor und Master, welche im Rahmen der Bologna-Reform eingeführt wurden und ist somit nicht mehr zeitgemäß. Eine ersatzlose Streichung ist eine naheliegende Form des Bürokratieabbaus, da diese aufgrund der Pandemie sowieso bereits ausgesetzt worden ist. Der BAföG-Leistungsnachweis wirkte in der Vergangenheit (7) signifikant sozialgruppenspezifisch: 21 % der Studierenden aus niedriger Bildungsherkunft konnten deshalb nicht weiterhin durch BAföG gefördert werden, hingegen nur 12 % aus gehobener bzw. hoher Bildungsherkunft und 13 % aus mittlerer Bildungsherkunft.
Übergang Ausbildung/Studium
Die Bildungswege der Menschen werden immer diverser. So ist es nicht unüblich, dass sich Studienanfänger im Vorfeld ihres Studiums für eine berufliche Ausbildung entschieden haben. Das bedeutet, dass Eltern ein Studium finanzieren müssen, obwohl Sie ihre Kinder bereits in der ersten Ausbildung unterstützt haben. Aus Sicht der BuFaK WiWi ist eine an eine berufliche Ausbildung angeschlossenes Studium eine Fortsetzung des Bildungsweges, kein Teil der Erstausbildung und damit sollten Eltern nicht weiterhin unterhaltspflichtig sein. Wir fordern daher, dass das BAföG für alle Studienanfänger mit beruflicher Ausbildung elternunabhängig geöffnet werden muss, um diesen ohne finanziellen Druck ein Studium zu ermöglichen und die Eltern zu entlasten.
Altersgrenze
Die BuFaK WiWI begrüßt die Erhöhung der Altersgrenze von 30 Jahren auf 45 Jahre. Somit kann es Quereinsteiger:innen ermöglicht werden, ihren beruflichen Werdegang in eine neue Richtung zu lenken oder Berufstätigen eine akademische Weiterbildung in ihrem Fachbereich durchzuführen. Dadurch trägt die Erhöhung der Altersgrenze zur Förderung von lebenslangem Lernen bei.
KV-Beitrag
In der jetzigen Reform ist weiterhin die KV-Beitragsbemessung an das BAföG gekoppelt. Mit steigendem BAfög bedeutet dies eine Erhöhung der Zahlung an die Krankenkassen. Hier werden insbesondere die Studierenden benachteiligt, die kein BAföG erhalten, da diese nach dem 25. Lebensjahr auch diesen Beitrag zahlen müssen, ohne unterstützt zu werden. Dies bedeutet aus Sicht der BuFaK WiWi eine klare Benachteiligung der Studierenden, die sich ihren Lebensunterhalt selbst verdienen. Daher fordern wir eine Entkopplung der KV-Beiträge vom BAföG.
Studiengangswechsel
Aktuell sind durch BAföG geförderte Studierende dazu berechtigt ihren Studiengang ohne das Angeben von Gründen vor dem 3. Fachsemester zu wechseln. Wir erachten zwei Semester nicht als ausreichend, um abschließend feststellen zu können, ob es sich bei dem ausgewählten Studiengang um die individuell beste Entscheidung handelt. Die Wahl des Studiengangs ist wegweisend und beeinflusst den beruflichen Werdegang maßgeblich, daher sollte Studierenden für diese Entscheidung länger als zwei Semester Zeit gegeben werden, ohne das bei einem eventuellen Studiengangwechsel die nicht mehr mögliche Finanzierbarkeit des eigenen Studiums als Entscheidungskriterium im Vordergrund steht. Wir fordern daher, dass BAföG-Empfangende ihren Studiengang bis zum Abschluss des 4. Semester ohne die Angabe von Gründen wechseln dürfen.
Startgeld
Die Einführung eines „Startgelds“ oder ähnliche einmalige, finanzielle Förderung zum Beginn eines Studiums befürworten wir. Der Beginn eines Studiums ist vor allem bei einem Wohnortwechsel, bzw. Auszug aus dem Elternhaus, mit signifikanten Ausgaben in Möbel, Einrichtung, Kaution der Wohnung, etc. verbunden. Eine solche Förderung kann Studierenden aus weniger wohlhabenden Familien helfen diese, Hürden zu meistern.
Auslands-BAföG
Ein Studium im Ausland ist eine lehrreiche Erfahrung für alle Studierenden und leistet auch dem kulturellen Austausch einen großen Dienst. Es ist daher auch im Interesse des Staates, dass viele Studierende die finanziellen Möglichkeiten haben, einen Abschnitt ihres Studiums im Ausland zu verbringen. Allerdings sind diese Aufenthalte mit hohen Kosten verbunden, die die Eltern der bisher Nicht-BAföG-Berechtigten Studierenden nicht stemmen können oder wollen. Um auch dieser Gruppe der Studierenden einen Studienauslandsaufenthalt zu ermöglichen, fordern wir die Leistungen des Auslands-BAföG elternunabhängig zu gewähren.
Quellen
1. http://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger_BGBl&jump To-=bgbl119s1048.pdf
2. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1046/umfrage/inflationsrateveraenderung-des-verbraucherpreisindexes-zum-vorjahr/
3. https://www.bmas.de/DE/Arbeit/Grundsicherung-ArbeitslosengeldII/Arbeitslosengeld-II/arbeitslosengeld-2.html
4. https://www.bafoeg-rechner.de/Hintergrund/art-2510-bafoeg-vorgericht.php#:~:text=Das%20Bundesverwaltungsgericht%20h%C3%A4lt%20das%2 0Ver-fahren,Wort%20hat%20jetzt%20das%20Bundesverfassungsgericht
5. https://www.destatis.de/DE/Service/StatistikCampus/Datenreport/Downloads/datenreport-2021-kap6.pdf?__blob=publicationFile
6. https://www.bmbf.de/bmbf/shareddocs/downloads/files/27-bafoegaendgstellungnahme-dsw.pdf?__blob=publicationFile&v=1
7. https://www.studentenwerke.de/sites/default/files/se21_hauptbericht.pdf